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Klassenkämpfe in Österreich 1945-1950

VORBEMERKUNG

Ursprünglich wollte ich Untersuchungen über Klassenkämpfe in Österreich von 1945 bis heute machen, aber da ich mir nicht die Konsequenz und Ausdauer zutraue, schreibe ich zuerst ein Arbeitspapier über den ersten Zeitraum, den ich bereits teilweise untersucht habe.    

Wobei durch diese Begrenzung natürlich Schwächen entstehen.

Eine Schwäche ist die Nichtbeachtung der Kapitalentwicklung, weil ich darüber keine Literatur fand. So konnte ich auch nicht die spezielle Bedeutung des US-Kapitals im Zusammenhang mit dem Marshall-Plan herausarbeiten.

Eine weitere Beschränkung ist die hauptsächliche Verwendung von KPÖ-Literatur, wodurch sicher in manchen Elementen eine verzerrte Sichtweise entsteht. So konnte ich die Rolle der Frauen nur ungenau herausarbeiten.

Auch die Rolle der USIA-Betriebe (Betriebe unter sowjetischer Verwaltung) ist  nicht klar, weil darüber die Berichterstattung der Volksstimme verkürzt ist. Noch etwas zur Methode: Ich gehe im Gegensatz von soziologischen Untersuchungen, die irgendwelche zahlenmäßige Verhältnisse der Klassen zueinander oder innerhalb der Klassen untersuchen, von den Kämpfen zwischen den Klassen aus und versuche daraus die Entwicklung aufzuzeichnen. Natürlich geht das nur beschränkt, weil ich nur die spektakulären Kämpfe aufgezeichnet finde und daraus auf die Gesamtentwicklung schließen muß.

Es gibt keine Literatur über die Mobilität der Arbeiterklasse während der weitgehenden Vollbeschäftigung, die die Löhne in die Höhe hätte treiben können, wie ich überhaupt kaum etwas fand über die Löhne außerhalb der Kollektivverträge (außer in der ersten Zeit, wo die Löhne an der Existenzgrenze lagen, wo es noch keine Kollektivverträge gab).

Aber es soll ja (wie immer) hauptsächlich Diskussionsanregung sein, aber endlich auch den Bezug der autonomen Linken zur eigenen Geschichte finden helfen.

1945

Nach den Plünderungen der ersten Stunde, die überall, wo die Wehrmacht abgezogen war und sich noch keine neue Macht etabliert hat, stattfinden, von denen sich (natürlich) alle zukünftig staatstragenden Parteien distanzierten, geht es den Menschen zuerst um die eigene Existenz.

Als erstes wird nicht aufgebaut, sondern das Überleben organisiert. Die Jugendbanden, die schon gegen die HJ und fürs Überleben kämpften, organisieren sich weiter, von allen Parteien als Faschisten beschimpft. Es gibt Bandenkriege gegen die Polizei.

Die großen Nazis sind geflohen oder interniert, die kleinen Nazis werden Werwölfe (es gibt immer wieder Nazikrawalle und Anschläge), "unpolitisch" oder engagieren sich in den demokratischen Parteien (außer in der KPÖ).

Die Großbourgoisie, soweit sie nicht Obernazis waren, kann es sich schnell wieder richten, nur die ganz Großen sind verschwunden, die Mittelklasse organisiert sich ein halbwegs angenehmes Leben über den Schwarzmarkt. Wobei wahrscheinlich auch die meisten Werwölfe unter dem Schutz dieser Mittelklasse agieren können.

Die Frauen der Arbeiterklasse beginnen das Leben wieder zu organisieren, viele Männer sind gefallen oder in Gefangenschaft.

Die einzigen, die "wiederaufbauen", sind neben dem sich organisierenden Establishment (antifaschistische Parteien - Mittelklasse), die "unpolitischen" Facharbeiter in den Betrieben, die unter den Nazis privilegierte Positionen gegenüber den Kriegsgefangenen hatten und sich mit der Fabrik und der Arbeit identifizieren (wahrscheinlich waren es auch die, die die Fabriken vor der Zerstörung durch die Nazis retteten).

Gegen die anderen gibt es "Arbeitspflicht" (VSt 15. 8.), "Erfassung der arbeitsfähigen Bevölkerung" (VSt 12. 10.) "Razzien gegen Arbeitsscheue" (VSt 10.11.) Die KPÖ fordert völlig irreal "Schleichhändler in Zwangsarbeitslager", wo doch die ganze Bevölkerung über den Schleichhandel, der natürlich die Bourgoisie begünstigt, überlebt.

Die KPÖ sollte sich über das schlechte Abschneiden bei den ersten Wahlen nicht wundern, wo sie doch nur eine der herrschenden Parteien war.

Die Alliierten erlauben den Gewerkschaften Lohnverhandlungen "wenn sie den Wiederaufbau nicht nachteilig beeinflussen", heißt Lohnkontrolle durch die Aliierten!

DIE FRAUEN DER ERSTEN STUNDE

War in der ersten Zeit der Kampf der Frauen um die Existenz nur individuell, so beginnt sich im Herbst 1945 der Widerstand in NÖ zu organisieren, es gibt in einigen Orten Demonstrationen für die Versorgung, in anderen können sie KPÖ und SPÖ gemeinsam verhindern. Sie sind meist mit dem Erfolg einer zusätzlichen Lebensmittel­zuteilung verbunden.

Ab März 1946 kommt es zu einer stärkeren Bewegung in den Betrieben und zu Frauendemos in W und NÖ.

 

Exkurs: Die Rolle der Frauen läßt sich schwer feststellen, weil natürlich überall Männer die Führung übernehmen, man kann allerdings annehmen, daß sie bedeutend ist, erst recht, wenn die Bekleidungsbranche, die weiblich dominiert ist, neben der männerdominierten Metallbranche die kämpferischste ist.

Zusätzlich kommt noch, daß kurz nach dem Krieg sicherlich mehr Frauen als sonst in den Fabriken sind, weil Arbeitermangel herrscht und viele Männer noch nicht zurück sind.

Hinweis dafür ist auch die Diskussion über die Wertung der Hausarbeit in der KPÖ
(VSt 6. 8. 46 Hella Postranecky) und daß Arbeitslosenzahlen immer mit dem Zusatz "ohne Studenten und Hausfrauen" angegeben werden.

Die Bewegung in den Betrieben drückt sich meist in kurzen Proteststreiks aus, die um den 10. und 11. 4. in Arbeitsniederlegungen aus Schwäche in vielen Wiener Betrieben gipfelt und die Einberufung einer Wiener BRO-Konferenz erreicht, die bei der Regierung die zentrale Kontrolle der Versorgung erreicht ("Ernährungsdirektorium"). Von 10. bis 14. 5. kommt es wieder zu einer Reihe von Arbeitsniederlegungen in ganz W, die erreichen, daß die Alliierten versprechen für 12oo Kalorien zu sorgen. Während in der St im Mai und Juni noch um eine geregelte Versorgung gestreikt wird oder die Arbeit aus Schwäche niedergelegt wird, werden in W Streiks, die am 18. und 19. 6 19. 6. mit einem Teilstreik der Straßenbahner gipfeln, um Lohnforderungen geführt. Im April wird die Zentrale Lohnkommission (ZLK) gegründet, die zusätzlich zu den Kampfmaßnahmen der Arbeiterinnen Lohnerhöhungen von 3o - 7o% erreicht, wobei die Unternehmer nur gegen die Urlaubsregelung Widerstand leisten, weil sie die Lohner­höhungen durch Preiserhöhungen kompensieren können, die den Lohnerhöhungen auf den Fuß folgen.   

Die Unternehmer haben eine schwache Position, sodaß meistens nur geringer Druck ausreicht, um Zugeständnisse zu erreichen, erst recht, wo sie die Lohnkosten wieder auf die Preise überwälzen. Außerdem geht der Kampf sehr häufig gegen die Verwaltung der Verstaatlichten, der Betriebe, wo die Unternehmer noch nicht zurück sind und um die Ernährung.

Es entwickelt sich ein Antagonismus zu den Bauern und Kleinbürgern, der aber über die zentrale Verwaltung kanalisiert wird.

Während die staatliche Verwaltung bereits zentralisiert ist, hat es der ÖGB noch nicht geschafft, die Arbeiterklasse unter seine Kontrolle zu bringen, obwohl sich die Erwartungen der Arbeiter auf den ÖGB richten.

Es gibt nur beschränkten Widerstand gegen die ZLK: Am 13. B. 46 streiken die Steyrwerke für Erfüllung des Lohnvertrages und die KPÖ agitiert gegen die ZLK, weil die Lohnforderungen vom Unternehmer durch direkten Druck der Arbeiter im Betrieb schneller erfüllt werden.

Ende Sept., Anfang Okt 1946 kommt es wieder zu einer Welle von Streiks wegen der Unsicherheit der Versorgung, die sich jetzt nicht nur auf W, NÖ und St beschränkt, sondern sich auch auf K und besonders Ob (Linz, Steyr) ausdehnt, wobei von der Vorständekonferenz des ÖGB am 17. 10. Beschlüsse zu gesamtösterreichischen Aktionen gefordert werden.

In NÖ (Neunkirchen) werden erste "Produktionsausschüsse" gegründet und später auch Versorgungs- und Kontrollausschüsse in Ob und S, die die Kontrolle der Versorgung ohne Zentralismus in die Hände der Arbeiterfrauen legen sollte.

Die Vorständekonferenz beschloß keine gemeinsamen Aktionen, erreichte aber die Durchsetzung von 155o Kal an 10. 11. (der Zusammenbruch des Stromnetzes am Tag der Vorständekonferenz brachte der KP, die den Energieministers stellte sicher keine Sympathien).

Wegen der Nichterfüllung der 155o Kal kommt es Mitte Nov noch zu einer Reihe Streiks (Ybbstal, Donawitz) und Frauendemos in Innsbruck, Graz, Salzburg, Hallein.

Im Winter wird die Bewegung durch den Versorgungsmangel an Kohle und Strom eingeschränkt, auch weil ein Großteil der Industrie stilliegt und auf das Frühjahr 1947 verschoben (auch weil die Versorgung mit Lebensmittel halbwegs funktionierte).

Im Dez kommt es noch zu einem ersten branchenweiten Streik in den Kleiderfabriken (8o% Frauen), der mit einem schwachen Erfolg (4o - 6o% Lohnerhöhung) endet. Im Frühjahr 1947 wird die Versorgung wieder schwieriger und es kommt zu massiver Unruhe in Betrieben und zu Demos besonders gegen den "Fleischboykott" der Landwirte. Die Unruhen gipfeln am 6. 5., als 100e Betriebe in Wien bestreikt werden und die Floridsdorfer und Stadlauer vor das Bundeskanzleramt und den ÖGB ziehen. Die ÖVP will alliierte Polizei anfordern, was am Einspruch der Sowjets scheitert.

Ab Frühjahr 47 stellt sich auch die KPÖ nicht nur halbherzig hinter die Arbeiter und der Kalte Krieg, der international mit der Truman-Doktrin einen ersten Höhepunkt erreicht, wirkt noch nicht auf die Arbeiter.

Im Anschluß daran, nachdem die Versorgung gesichert ist, kommt es zu Lohnforderungen, die durch viele Streiks unterstützt werden, die Unternehmer antworten mit dauernden Preiserhöhungen, die Hauptdiskussion in der Öffentlichkeit geht um die Lohn-Preis-Spirale und die damit verbundene Inflation. Der ÖGB hat praktisch die Kontrolle über die Lohnerhöhungen verloren, am gefährlichsten muß für ihn sein, daß diese Bewegung nicht nur die kämpferischen Hochburgen erfasste, sondern fast alle Bundes­länder. Wahrscheinlich haben die Lohnerhöhungen und schnelle Sicherung der Versorgung in W auf die Streiks und Demos am 6. 5. hin, mobilisierende Wirkung gehabt. Viele Kämpfe werden um die Abschließung eines Tarifvertrags geführt, viele nur um betriebsweise Lohnerhöhungen und überall gibt es tausende Frauen, die für die Versorgung streiken und demonstrieren (in Traisen demonstrieren Frauen zur Fabrik, um die Männer zum Streik aufzufordern).

Auf den Wiener Märkten bilden die Frauen Preisüberwachungsausschüsse und es kommt zu Tumulten.

Meiner Ansicht nach bildet sich in dieser Phase in der Arbeiterklasse am meisten gesellschaftliches Bewußtsein. Wobei ich als gesellschaftliches Bewußtsein nicht irgendeine politische (linke) Ideologie verstehe, sondern die breitestmögliche Erfassung der Organisation des Lebens.

Das war natürlich nur durch die spezielle Situation möglich: Die Bourgeoisie hat in den östlichen Bundesländern keine Möglichkeit direkt einzugreifen, sie ist zu schwach, die Repressionsorgane sind unzuverlässig (viele Kommunisten in der Polizei, aber auch Unruhe in der Polizei wegen der Löhne), zugleich sind die Volksdeutschen (Flüchtlinge aus den östlichen Staaten, Displaced Persons) noch isoliert, sie werden noch nicht zur Spaltung der Arbeiterklasse benutzt.

Und wahrscheinlich auch, weil die Frauen dominieren, die auch den Überblick über den Reproduktionsbereich haben - die großen Heimkehrertransporte beginnen erst im Herbst 1947.

Zusätzlich steigt das erste Mal seit Kriegsende Produktion und Produktivität stark, die Jahre davor waren fast nur mit der Wiederingangbringung beschäftigt. Dadurch haben die Unternehmer einen breiteren Spielraum, der bei den Arbeitern zusätzlich den Eindruck von Schwäche hinterläßt.

In den westlichen Bundesländern kommt es erstmals zu bedeutenderen Repressionen durch die Amerikaner: in Ischl werden Teilnehmer einer Demo verhaftet und in Kaprun wird eine Versammlung der Arbeiter verboten.

Die Polizei bekommt Hartholzknüppel.

Die Antwort auf die Autonomie der Arbeiterklasse ist überraschend wie entschieden: es wird das erste Lohn-Preis-Abkommen (LPA) abgeschlossen, das Preis‑ und Lohnbewegungen einschränken soll, in Wirklichkeit aber nur einen Lohnstop be­wirkt. Verbunden ist das Abkommen mit der Währungsreform, die die inzwischen angesparten Gelder abschöpfen soll, die sich aber verzögert, weil die Kleinunternehmer (Landwirtschaftskammer und Kammer der gewerblichen Wirtschaft) Widerstand leisten. Dieses erste LPA ist neben der Währungsreform der Einstiegspreis für die Marshall-Plan-Hilfe.

DER ÖGB BAUT DIE KONTROLLE AUS

Der ÖGB wurde von oben gegründet und jede Machtausweitung der Regierung, die die Alliierten gewährten, war auch eine Machtausweitung des ÖGB. Jetzt ging es darum, die Macht des ÖGB ÜBER die Arbeiterklasse zu sichern.

Es schien fürs erste leicht zu fallen - die KPÖ arbeitete mit - die Arbeiterklasse schien Vertrauen in den ÖGB zu haben und die Mitgliederzahl nahm ständig zu.

Exkurs: Das keynesianische Projekt: Keynes erkannte in der Krise 1929, daß man den Kapitalismus nicht ohne das organisierte Subjekt der Arbeiterklasse einzubeziehen, erhalten kann. Er erkannte die Bedeutung der ARBEITSKRAFT als entscheidendes Moment und die ARBEITERKLASSE als treibendes Element des Kapitalismus. Natürlich muß die Arbeiterklasse unter Kontrolle sein, um unkontrollierte Explosionen, die das kapitalistische Projekt stören würden, zu vermeiden. Und genau darauf arbeitete der 0GB hin, als organisierte Arbeiterklasse der Motor zu sein für das keynesianische, kapitalistische Projekt.

Die ZLK im April 46 ist ein erster Schritt: Löhne müssen von der ZLK bewilligt werden. Einerseits bedeutet sie eine Machtsteigerung der Arbeiterklasse durch das Durchbrechen des Lohnstops 1946, andererseits bedeutete es genau die Disziplinierung die notwendig ist (gegenüber den Alliierten wurde immer mit Streikverhinderung argumentiert).

26. 2. 1947 wurde das Kollektivvertragsgesetz abgeschlossen:

Prader: "Im Kollektivvertragsgesetz wurde die Voraussetzung wirksamer Staatseingriffe in die Verlaufsform des kapitalistischen Produktionszyklus geschaffen, indem die schon in der nationalsozialistischen Arbeitspolitik und in der staatlichen Lohn­festsetzung angelegten Elemente der Zentralisierung und Vereinheitlichung der Lohnverhandlungen sowie der Staatseingriffe in den Klassenkonflikt auf der Ebene der Kooperation der Gewerkschaften modifiziert, aber beibehalten wurde. Zersplitterte, schwache Gewerkschaften und das Fehlen eines einheitlichen Kollektivvertragsrechts hätten den sozialen Frieden und eine staatliche Lohnkontrolle verhindert." S 29/3o

Am 28. 3. 47 wird das Betriebsrätegesetz verabschiedet, das die Rechte der BR gegenüber dem Unternehmer und gegenüber dem ÖGB stark einschränkte. Hauptsächlich geht es um die Begrenzung der Macht der KP, die in den Betrieben viel fester verankert ist, als in den höheren Gremien und überhaupt gegen die stärkere Kampfbereitschaft einzelner Betriebe.

Gleich nach der Verabschiedung gibt es eine Reihe Kämpfe in Kleinbetrieben vor allem in Graz um die Rechte der BR, die aber in den Kämpfen um Versorgung und Preise im Sommer 1947 untergingen. Es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß der ÖGB die Unternehmer stärkt um die eigene Position gegenüber der Autonomie der Arbeiterklasse zu sichern.

Das erste LPA stößt auf geringen Widerstand, weil das Vertrauen in den ÖGB sehr groß ist. Damit ist aufs erste die Position des ÖGB gesichert. Enttäuschend muß auch die Zustimmung der sowjetischen Alliierten zum LPA gewesen sein..

Jetzt wagen die inzwischen gestärkten Unternehmer Widerstand, der sich in der Weigerung gegenüber den Kollektivverträgen der Herrenhutarbeiter und in Papierindustrie ausdrückt. Dem ÖGB bleibt nichts anderes übrig als kurze Streiks diesen Branchen abzusegnen.

Außerdem leisten Handelskammer und Kammer der gewerblichen Wirtschaft Widerstand gegen

das Währungsreformgesetz, das ja das ausländische und das große Kapital bevorzugt (Umtausch des alten Schilling in ein Drittel vom neuen Schilling bis auf S15o pro Person). Die Leidtragenden sind neben der Arbeiterklasse, deren Löhne abgeschöpft werden auch die kleinen Gewerbetreibenden. Die Unternehmer haben die Ankündigung einen Monat vorher durchgesetzt, um noch Investitionen möglich zu machen.

Die KPÖ ist seit dem erstem LPA aus allen Verhandlungen ausgeschlossen und tritt der Währungsreform im Nov 47 auch aus der Regierung aus. Sie kündigt Arbeitslosigkei­t und Konkurse an, rechnete allerdings nicht mit den massiven Produktivitätsste­igerungen und Produktionsausweitungen, die die Arbeitslosigkeit 1948 nur begrenzt steigen lassen. Die Reallöhne bleiben zwar gleich oder sinken leicht, aber dadurch, daß das Warenangebot wieder auf Friedensverhältnisse stieg, gab es einen ersten Wohlstandsanstieg der Arbeiterklasse. Erstmals bekommen große Teile der Arbeiter mehr das zur Existenz notwendige.

Die Arbeiter drücken durch passive Resistenz und Kurzstreiks die Löhne in die Höhe. Auch wenn es Versorgungsschwierigkeiten gibt, werden diese durch kurze Streiks sofort beseitigt. Der Druck der Arbeiter, dem der ÖGB nachgibt, gipfelt in einem 6-wöchigem Streik der Schuharbeiter im März/April 1948, die damit einem Kollektivvertrag er-fen, den die Unternehmer verweigerten (vor allem ging es um die 44-St-Woche und soziale Forderungen).

Im Sommer 1948 nehmen der Lohndruck und Streiks vor allem in der Oberst. zu um eine

Lohnerhöhung zu erreichen, wobei die Arbeiter ein Ultimatum bis 15. 9. stellen.

Der ÖGB diffamiert die Aktionen zum 15. 9. als "kommunistischen Putschversuch" und während das neue LPA veröffentlicht wird, ist Donawitz von der Polizei besetzt und die Streikaktionen bleiben isoliert.

Es kommt zu massiven Repressionen gegen Kommunisten in den West-Besatzungszonen.

Exkurs: Als agierende Teile des Kapitals gibt es die Klein-und Mittelbetriebe, das internationale Kapital und die Verstaatlichten werden vom ÖGB vertreten. Die Bauern, in den ersten Jahren in einer Stärkeposition waren, werden zugunsten der Großgrundbesitzer in Bezug auf Einfluß in Regierung und Politik zurückgedrängt.

Ab 1948 werden die Volksdeutschen (DPs) eingebürgert, die sehr starke reaktionäre Tendenzen haben und in den westlichen Bundesländern massiv in Betriebe aufgenommen werden, wo man kämpferische Arbeiter und Kommunisten hinausschmeißt. Darum auch die Tendenz zu den starken Positionen der KP in den USIA-Betrieben, die natürlich Kommunisten anziehen.

Die Heimkehrer kommen noch dazu und ab 1949 steigt die Arbeitslosigkeit massiv an. Die weltweite Rezession 1949 hat Österreich noch nicht erreicht, die Arbeitslosigkeit wird nur durch die Produktivitätssteigerungen verursacht, erst 195o kommt es zu Absatzschwierigkeiten, die aber durch den Koreaboom schnell aufgehoben werden.

Das 3. LPA im Mai 1949 ist nicht wie die früheren ein Antwort auf den Lohndruck der Arbeiter, der ist im Frühjahr 49 durch die Arbeitslosigkeit deutlich gedämpft, sondern um die Sanierung des Budgetdefizits (eine Marshall-Plan Forderung), damit keine (auch bei den vorigen Pakten schwache) Zurückhaltung der Preise, sondern Lohnbeschränkung und die Abschaffung der Preisstützung von Lebensmittel. Die Marshall-Gelder sollen für Produktivitätssteigerungen und Investitionen verwendet werden.

Die Ablehnung des LPA war beträchtlich - in Wien demonstrierten über 100 000 und den Bundesländern weitere tausende unter Führung der KPÖ - führt aber wegen dem Druck der Arbeitslosigkeit und der mehrfach gespaltenen Arbeiterklasse zu keinen weiteren Aktionen (SP - KP, Stammarbeiter - DPs)

Ein erster Höhepunkt der Restauration sind die Wahlen 1949: Die Nazis dürfen mitwählen und die VdU (Verband der Unabhängigen, Nazi-Vorläufer der FPÖ) gewinnt doppelt so viele Stimmen wie die KPÖ. Die AK-Wahlen eine Woche darauf sind ebenfalls eine schwere Niederlage der Kommunisten, allerdings durch angeblich massive Wahlfälschung. Bei der VOEST bekommt die VdU 6o% der Arbeiterstimmen. Es gibt auch die häufigsten Nazi-Provokationen seit 1945/46.

ARBEITER GEGEN DIE GEWERKSCHAFT

Nov und Dez 1949 kommt es zu vielen Streiks und Demos für eine Überbrückungshilfe, denn inzwischen ist das Lebensniveau wieder knapp an die Existenzgrenze gekommen. Bei einer Bauerbeiterdemo in Graz kommt es zu Krawallen und Verhaftungen und schließlich werden ein Großteil der Forderungen von S 600 bewilligt, die noch vor Weihnachten ausgezahlt werden.

Es deutet sich schon an, daß die Spaltung, vor allem gegenüber den Volksdeutschen, die zum Großteil die entqualifiziertesten Arbeiten machen, nicht mehr funktioniert. Ein deutliches Anzeichen dafür ist die Krise in der VdU, die sich durch Austritte von Arbeiterfunktionären zeigt. Bei den BR-Wahlen bei der VOEST bekommt der VdU nur noch 44%.

Außerdem haben in den Lagern die kommunistisch beeinflußten "demokratischen Volksdeutschen" Erfolge bei den Wahlen zu Lagerverwaltung.

Auch der Antikommunismus zieht nur noch begrenzt, die KPÖ hat gerade während der Bewegung um die Überbrückungshilfe  große Erfolge bei den BR-Wahlen, wobei sicher ist, daß viele die KP wählen, nicht, weil sie Kommunisten sind, sondern um Druck auszuüben.

Das ganze Jahr über kommt es zu Bewegungen und Unruhen in den Betrieben, obwohl dauernd Betriebe geschlossen werden und Entlassungen stattfinden, aber es gründen auch Arbeitslosenkomitees und die KPÖ führt einen teilweise erfolgreichen Kampf gegen Delogierungen.

Im Sommer195o kommt es seit langem wieder zu Engpässen, weil sehr viele Waren durch den Korea-Krieg in die USA abgezogen werden. Die Preise steigen. So kommt es die Sommermonate über zu einer starken Lohnbewegung. 88 große Betriebe Gewerkschaftsortsgruppen verlangen 15 bis 3o % Lohnerhöhung.

Zudem kommt es am 14. 9. "zum brutalsten Polizeieinsatz der 2. Republik." (VSt, sie wußten noch nicht, was auf sie zukommt) bei einer antiimperialistischen Demo der KPÖ vor dem Amerikahaus.

In diese Atmosphäre platzte die Ankündigung des 4. LPA.

Eine Avantgardefunktion haben in diesem Fall die Arbeiter der "Knochenmühle" VOEST (jede Woche ein tödlicher Arbeitsunfall) und zwar gerade die jungen, noch nicht lange im Betrieb beschäftigten Volksdeutschen. Wenn die KPÖ nicht so disziplinierende Funktion gehabt hätte, hätte der Streik zumindest in OÖ noch viel mehr Aufstandscharakter gehabt.

Die Hetze mit dem kommunistischen Putschversuch ist noch mehr irreal, als die KPÖ bloß reformistische Politik macht. Ihr Hauptkampf 195o war die Friedensbe­wegung und gegen die Atomrüstung und kommen sie mit dem Koreakrieg schon in Ver­legenheit, so paßt ein Arbeiteraufstand erst recht nicht in ihr Konzept. Kurze Chronologie des "großen Streiks":

Regierung kündigt Veröffentlichung des 4. LPA für Dienstag den 26. 9. an.

25.9. Einstündiger Warnstreik bei der VOEST (einstimmiger Beschluß aller BR-Fraktionen, 14 VdU, 12 SP, 2 KP) und im Heizhaus der Bundesbahnen Linz.

26. 9. In Steyr kommt es in der Früh zu einem Warnstreik des Steyrwerkes und zu einem Zug auf den Stadtplatz, wo sich bereits 15 000 Menschen befinden, die sich aus anderen Betrieben und aus der Stadt angeschlossen haben.

In Linz ziehen am Nachmittag 10 000 Voest-Arbeiter in die Stadt, denen sich Arbeiter vieler anderer Betriebe anscließen. Die BR haben Schwierigkeiten, die "Wilden, deren Vorstellung vom Kampf darin besteht, daß man alles kurz und klein schlägt"(Epler, KP), unter Kontrolle zu behalten. "Aber fast immer gelang es ihnen(den Kommunisten) die Arbeiter von terroristischen Handlungen zurückzuhalten"(Epler)

In Wien streiken viele Betriebe, allerdings dominiert von den USIA und SMV (Sowjetische wineralölverwattung) teilweise gegen den passiven Widerstand der russischen Ver­waltung, wobei es zu Zügen zu anderen Betrieben kommt um sie zum Streik aufzufordern. Die Beteiligung ist bei Weitem nicht so vollständig wie in OÖ.

In der Löwelstraße wird ein Polizeikordon durchbrochen, die Arbeiter bleiben unter KP-Führung diszipliniert.

Ein ähnliches Bild ist in NÖ, wo unter Führung der USIA-Betriebe gestreikt wird, wobei kurzfristig auch Bahnhöfe blockiert werden.

27. 9. Graz: Am Vortag sind nur Protestresolutionen beschlossen worden, aber die Nachrichten von der Bewegung in OÖ, W, und NÖ bringt die Arbeiter ziemlich vollständ­ig dazu zu streiken, wobei 12 000 zum Freiheitsplatz ziehen und dabei fünf Polizeikordons durchbrechen.

In Linz und Steyr wird weiter gestreikt, es kommt wieder zu Demos und zu den �einzigen Ausschreitungen" (Epler) um die Arbeiterkammer.

Von Lenzing ziehen die Arbeiter nach Vöcklabruck, die KPÖ kann knapp verhindern, daß Arbeiter Schaufensterscheiben von Preistreibern zerschlagen.

Eine KPÖ-dominierte BR-Konferenz von Liesing-Atzgersdorf beschließt eine BR-Konferenz

Für Samstag den 3o. 9. und bis dahin den Streik zu unterbrechen. Nachträglich kritisiert auch die KPÖ die Unterbrechung der Spontanität der Arbeiterklasse.

Linz und Steyr akzeptieren die Beschlüsse der BR-Konferenz, streiken aber weiter, während die Betriebe in W und NÖ die Arbeit wieder aufnehmen.

28.9. In Donawitz wird durch den BR-Beschluß von Atzgersdorf der Streik einen Tag durchgeführt und am Freitag die Arbeit wieder aufgenommen (Donawitz ist eine KPÖ-Hochburg).

In Linz verhindert wieder die KPÖ einen Sturm auf den (US-beeinflußten) Rot-weiß-rot Sender, der hetzerische Meldungen über den Streik bringt.

Der Streik erreicht seine größte Ausdehnung, weil sich noch viele kleine Betriebe anschließen.

29. 9. In W und NÖ wird gearbeitet, in Graz bröckelt der Streik ab.

3o. 9. Die BR-Konferenz in der Floridsdorfer Lokomotivfabrik beschließt ein Ultimatum zur Zurücknahme des LPA bis Dienstag, den 3.10. in der Nacht.

Am 4.10. streiken in W und NO fast nur noch die USIA-Betriebe, dazu kommen noch 2000 Arbeiter der Kapruner Großbaustelle und einige kleinere Betriebe, die vorige Woche noch nicht gestreikt haben.

In Steyr und Linz wird der Streik durch den Terror der Gendarmerie gebrochen, auch in Donawitz wird der Streik durch Polizei abgewürgt.

Alle Leute, die über den "großen Streik" reden, erzählen vor allem über den Terror der Olah-Brigaden, so schien es mit wichtig, gerade in der Aufarbeitung der Niederlage durch den Terror aufzuarbeiten. Ich wollte Epler zitieren, der schreibt allerdings mehr über die "Hitzköpfe, die sich durch den Terror provozieren ließen" als über den Terror selbst.

Ich glaube, das ist der schwächste Punkt, daß die damalige Niederlage nicht aufgearbeitet wurde.

Auch ich kann nur kurz zusammenfassen: In Steyr und Linz wird die Arbeitsaufnahme durch Gendarmerie mit aufgepflanzten Bajonetten erzwungen.

In W gibt es die "Fünfzig-Schilling-Manderl", die von Nationalrat Olah bewaffnet und bezahlt werden, die gegen die streikenden Arbeiter mit Stahlruten und Stangen vorgehen.

Bedeutend ist auch die Pressehetze, die den verkümmerten Aufstandsversuch zu einem kommunistischen Putschversuch machen ("Plan 3") und auch das Ausspielen des Zögerns der KPÖ (AZ: "Auch die Kommunisten rücken ab!")

Weiters tausende Entlassungen und Ausschlüsse aus der Gewerkschaft, hunderte von Volksdeutschen, die sich an den Kämpfen beteiligt haben, werden ausgebürgert.

Die KPÖ macht aus der Niederlage einen halben Sieg, sie behauptet die Lohnförderungen seien in den nächsten Monaten günstiger ausgefallen, was ich bezweifle.

Noch etwas zum Charakter des Streiks: Er hat wenig Ähnlichkeit mit großen Streiks in kapitalistischen Ländern, sondern mehr einen Aufstandscharakter wie der 17. 6. in der DDR oder die ungarische Revolution 1956, was wahrscheinlich mit der starken Institutionalisierung des OGB und die starke Verbindung von Staat und Kapital zusammenhängt.

Durch diese Niederlage, man könnte sie als die zweite Geburtsstunde der zweiten Republik bezeichnen, wurde ebenso zuerst der neoliberale Raab-Kamitz-Kurs, wie auch später das keynesianische Projekt der Anbindung der Löhne der Arbeiterklasse an die Produktivität möglich

Die KPÖ kann zwar kurzfristig einige Gewinne verbuchen, bleibt aber isoliert und verschwindet nach dem Arbeiteraufstand in Ungarn von der politischen Bühne.

 

Literatur:

Volksstimme vom August 1945 bis Dezember 1951

PRADER, Hans: Die Angst der Gewerkschaft vorm Klassenkampf. Der OGB und die Weichenstellung 1945 - 195o

EPLER, Ernst: Der grosse Streik

KLENNER,Fritz: Die österreichischen Gewerkschaften Bd 2

Aus der begrenzten Literatur erkennt man auch die Schwächen meiner Arbeit, es fehlen Kapitalbewegungen, wie auch nichtkommunistische, linke Positionen.

Zusätzlich: SPÖ-was sonst? Die Linke in der SPÖ, Geschichte und Bilanz/BfS/GE: Ge­schichte der österreichischen Arbeiterbewegung.

Außerdem ist der Text zum Schluß etwas flüchtig geworden, weil ich endlich fertig werden wollte, aber ich verspreche, daß ibh am Thema weiter arbeiten werde.

 

© Robert Foltin. Foto im Seitenkopf: Katharina Struber

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Termine

 

Dienstag 13. Februar 2024, 19 Uhr.

Diskussion mit Katerina Anastasiou, LINKS / KPÖ und Rihab Toumi, Sozialistische Jugend: Wohin nach Links?

Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien